Wieso Hartz IV tatsächlich zu wenig zum Leben ist

Zwei mal drei macht vier,
widewidewitt und drei macht neune,
ich mach mir die Welt,
widewide wie sie mir gefällt
(Pippi Langstrumpf)

Viele Betroffene kennen das Gefühl, wenn das Konto leer und der Briefkasten voll ist, ihnen aber unterstellt wird mit Hartz IV doch auskommen zu können. Letzteres bekommen gerad Langzeiterwerbslose immer wieder zu hören. Am Ende stehen nicht selten Selbstzweifel, ob man tatsächlich falsche Prioritäten gesetzt hat oder verschwenderisch gehandelt habe. Wenn denn alle anderen damit hin kommen.

Dem ist selbstredend nicht so. Das zeigen unsere Beratungsgespräche im PadAlz deutlich. Wer über längere Zeit Hartz IV bezieht, kann kaum ohne Schulden durch das Jahr gehen. Zumal festzuhalten ist, dass gerade Singlehaushalte und Alleinerziehende besonders betroffen sind.

Dank der Essener Tafel erleben wir eine ausführlich Diskussion rund um das Thema Armut. Was sich dann auch in der Presse widerspiegelt. So etwa in einem aktuellen und umfassenden Artikel im SPIEGEL

Fehlerhaft Statistiken

Wieso Hartz IV tatsächlich zu wenig zum Leben ist

Immer mehr Menschen in Deutschland nutzen Tafeln. Ein Grund sind die knappen Hartz-IV-Bezüge, die sich am Existenzminimum ausrichten. Das aber wird – mit Wissen der Regierung – seit Jahren zu niedrig berechnet.
[SPIEGEL-Online]

Interessant ist im Artikel die etwas ausführlichere Darstellung der Herleitung eines Hartz IV-Satzes, bzw. der Regelsätze. Auch, das wir so erfahren, dass selbst Hartz IV Befürworter der Argumentation folgen. Sie bestätigen am Schluss die Schieflage im System.

Was alles aber im Umfeld der Tafel-Diskussion aufpoppt, ist mitunter ernüchternd. Nicht Jens Spahn. Von dem erwarte ich gepoltert, weil er nicht anders kann.

Ernüchternd sind Statements und Interviews von Verbandsvertretern, die im Kontext der Sozialsysteme für Kritik und Anregung zuständig sind. Wenn die sich auf das schmale Brett der Regelsatz-Diskussion ziehen lassen, und dann als Beispiele etwa fehlende Gelder für die Theaterkarte oder einen Kaffee in der Stadt nennen, dann bleibt mir nur zu sagen: Thema verfehlt, 6, setzen!

Wenn wir schon den Regelsatz zerlegen, dann bitte anhand der wirklich fetten Brocken:
Energie und Verkehr

Nehmen wir etwa mal die Stromkosten. Was unterscheidet in einer Wohnung die Heizkosten von den Stromkosten? Nix! Die allermeisten von uns können ohne Strom nicht einmal heizen, selbst wenn sie über eine Gasetagenheizung verfügen. Was also bewegte die Konstrukteure dieses Regelsatzes dazu, diese Stromkosten im Regelsatz zu verstecken?

Sehen wir uns den Betrag an, fällt noch etwas auf. Bei den aktuell eingerechneten 37,20€ steht eben nicht nur „Energie“, sondern auch noch „Wohnen, Wohninstandhalten“. Hier gilt ganz klar: Humor ist, wenn man trotzdem lacht.

Denn, nicht nur das der Satz als reiner Energieansatz schon zu tief liegt. Es ist auch nicht klar wie aus diesem Satz noch eine Wohninstandhaltung zu gewährleisten sein soll.

Die manipulierte Statistik – nicht „Fehlerhafte Statistiken“

Zum Schluss dann doch noch einmal ein Satz zum SPIEGEL-Artikel, den wir auf dieser Seite mit Zustimmng des SPIEGEL einbinden durften.

Die der Headline angeführte Statistik ist ja gar nicht fehlerhaft, sondern sie ist absichtich manipuliert. Das gibt sogar der Artikel her. Mal ganz davon ab, ob ich rauche oder trinke (beides tue ich nicht mehr). Was erlauben sich die edlen Spender (! Achtung! Überspitzung!) von Harzt IV eigentlich, am Ende der Berechnung einfach „Tabak, Alkohol oder Schnittblumen“ aus einer entsprechenden Erhebung zu entfernen? Laut der im Artikel zitierten Hans-Böckler-Stiftung wurden so aus 535,-€ seinerzeit 362,-€. Ein Blick auf die zugrundeliegende Jahreszahl der genannten Erhebung (2008) lässt erahnen, wie groß die Lücke mittlerweile ist.

Olaf Mittelstädt

Veröffentlicht in PresseStimmen.